Die Medulla oblongata

© dasGehirn.info
Author: Arvid Leyh

In der Medulla oblongata geht das Rückenmark langsam in den Hirnstamm über. Und zwischen all den Fasern liegen zahlreiche wichtige Kerngebiete. Reflexe wie Husten und Einatmen werden hier gesteuert, aber auch Geschmack und Feinmotorik.

Scientific support: Dr. Björn Spittau

Published: 23.08.2011

Difficulty: intermediate

Das Wichtigste in Kürze

Mit der Medulla oblongata beginnt das Gehirn. Hier finden sich zahlreiche Kerne und Kerngebiete, die teils Neurone zwischen Gehirn und Rückenmark umschalten, teils die Hirnnervenkerne versorgen, wie auch wichtige Zentren für Atmung oder Erbrechen.

Die Medulla oblongata ist der unterste Abschnitt des Hirnstamms. Übersetzt bedeutet die Bezeichnung „verlängertes Mark“, was naheliegt, denn an dieser Stelle geht das Rückenmark der Wirbelsäule in den Hirnstamm über. Wo das eine endet und der andere beginnt ist schwer abzugrenzen, daher wird gemeinhin die Austrittsstelle des obersten Spinalnervs als Grenze genommen. Hier beginnt die Medulla und sie endet zweieinhalb bis drei Zentimeter weiter oben an der Pons. Gemeinsam mit diesem und dem Kleinhirn wird die Medulla oblongata auch als Rautenhirn – Rhombencephalon – bezeichnet, was auf die embryonale Entwicklung zurückgeht: Alle drei Hirnabschnitte entwickeln sich aus demselben Vesikel. Die Bezeichnung Rautenhirn beruht auf der unmittelbaren Nähe zur Rautengrube, dem Boden des vierten Hirnventrikels, der hinter Medulla und Pons verläuft.

Äußere Auffälligkeiten

Strukturell die ersten Auffälligkeiten von unten nach oben betrachtet sind je zwei Höcker rechts und links an der Rückseite, also der dorsalen Medulla. Sie verraten die Position zweier Kerne: des Nucleus gracilis und des Nucleus cuneatus. Dort enden die Hinterstrangfasern des Rückenmarks – die epikritische Bahn –, die zum Beispiel Informationen über Druck und Temperatur liefert und schlussendlich im parietalen Cortex endet. Die Hinterstrangfasern sind säuberlich getrennt nach den oberen Extremitäten im Nucleus cuneatus und den unteren im Nucleus gracilis. Wer es sich merken will: Die Anatomen verwenden hier den Merksatz „Grazil sind die Beine des Elefanten“. Und obwohl dies nicht hundertprozentig korrekt ist – alle Beine weisen nach unten.

Als weitere Auffälligkeiten erkennt man von vorn die Pyramiden. Sie sind es, die der Pyramidenbahn aus dem motorischen Cortex den Namen verleihen – nicht die Tatsache, dass ihre Fasern aus Axonen motorischer Pyramidenzellen gebildet werden. Knapp unterhalb dieser Pyramiden liegt die Pyramidenbahnkreuzung. Auf ihrem Weg ins Rückenmark wechseln hier 90 Prozent der Fasern von rechter und linker Pyramidenbahn die Seite und verlaufen ab hier kontralateral.

Genug der Pyramiden. Seitlich davon liegen die Oliven – ein Komplex von Kernen, der die Schnittstelle von den motorischen Arealen des Großhirns zum Kleinhirn bildet. Dorthin, ins Kleinhirn, sendet die untere Olive – der Nucleus olivaris inferior – ihre Axone, die dann als Kletterfasern die Purkinje-​Zellen „erklimmen“. Die Olive ist also entscheidend für Koordination und Feinabstimmung präziser Bewegungen. Daneben bildet der obere Bereich in den Nuclei olivares superiores eine wichtige Umschaltstation der Hörbahn.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

Recommended articles

Kerngebiete

Zwischen all den Faserbahnen in der Medulla oblongata liegen zahlreiche weitere Kernstrukturen. Da sind zum einen diverse Hirnnervenkerne, denn das Gros der Hirnnerven tritt aus Medulla (IX bis XII) und Pons aus. Als Beispiel mit vielfältigen Aufgaben mag hier der Nucleus tractus solitarii stehen, der sich fast über die gesamte Höhe der Medulla zieht und dabei Projektionsort von gleich drei Hirnnerven ist: Nummer VII, dem Nervus facialis. Nummer IX, dem Nervus glossopharyngeus – ein komplizierter Name, zuständig für die Empfindungen der Zunge und die Motorik des Rachens. Und dem X. Hirnnerv, dem Nervus vagus, der fast alle inneren Organe versorgt und sich so seine Bezeichnung „umherschweifender Nerv“ wirklich verdient hat. Wie gesagt: Entsprechend vielfältig sind die Aufgaben des Nucleus tractus solitarii. Die Einatmung gehört dazu, oder der Hustenreflex. Am bekanntesten ist er wohl in seiner zentralen Position auf der Geschmacksbahn.

In der Medulla beginnt aber auch die Formatio reticularis, ein ganzes Netz aus Nervenkernen, das sich durch den gesamten Hirnstamm zieht. Vielfach sind die einzelnen Kerne schwer voneinander abzugrenzen, doch in ihrem Aufgabengebiet liegen zum Beispiel die Zentren für Atmung und Kreislauf, Teile des Weckzentrums – des aufsteigenden retikulären aktivierenden Systems – und nicht zuletzt das Brechzentrum.

No votes have been submitted yet.

Subjects

Author

Scientific support

License Terms

This content is available under the following conditions of use.

BY-NC: Namensnennung, nicht kommerziell