Das Mesencephalon

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Author: Arvid Leyh

Das Mesencephalon, zu Deutsch – das Mittelhirn, stellt den obersten Abschnitt des Hirnstamms dar. Nach unten gliedert sich der Pons – die Brücke – an, darüber liegen bereits die Strukturen des Diencephalons, des Zwischenhirns. Wie im gesamten Hirnstamm ist auch im Mesencephalon Motorik ein großes Thema – hier liegen zum Beispiel der Nucleus ruber und die Substantia nigra, letztere bekannt geworden durch ihre traurige Rolle bei der Entstehung von Parkinson. Aber es gibt auch Hören und Sehen, einige Hügel tauchen auf, Schenkel, und: Als einzige Struktur des Gehirns verfügt das Mittelhirn über eine eigene Wasserleitung, den Aquaeductus mesencephali. Hier fließt der Liquor, die Hirnflüssigkeit, vom dritten in den vierten Ventrikel.

Scientific support: Prof. Dr. Hans-Dieter Hofmann

Published: 08.09.2011

Difficulty: serious

Das Wichtigste in Kürze

Das Mesencephalon teilt sich in Crura cerebri, Tegmentum und Tectum. Neben zahlreichen wichtigen motorischen Zentren – wie der Substantia nigra und dem Nucleus ruber – finden sich hier in der Formatio reticularis einige wichtige Kerne für Vitalfunktionen. Angst, Panik und Depression können hier in unterschiedlichen Kernen ihren Anfang nehmen.

Depression

Depression/-/depression

Psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind. In den gegenwärtigen Klassifikationssystemen werden verschiedene Arten der Depression unterschieden.


Äußere Auffälligkeiten

Von vorn betrachtet wird das Mittelhirn dominiert von besagten Hirnschenkeln, den Crura cerebri – ein großes Bündel Fasern, das Signale vom Cortex ins Rückenmark und zu Brücken– und Hirnnervenkernen leitet. Diese Fasern sind fein säuberlich geordnet: An der Innenseite laufen die Verbindungen zum frontalen Cortex, weiter nach außen schließen sich die Fasern zum motorischen Cortex – die Pyramidenbahn – und ganz außen die zum Temporallappen an. Es zeigt sich sogar ein weiterer Homunculus: nach innen liegen die Fasern, die den Kopf versorgen, nach außen die der Füße.

Von hinten zeigen sich zwei mal zwei Hügel, zusammengefasst als Vierhügelplatte, oder Tectum (oder Lamina tecti, oder Lamina quadrigema). Die oberen Hügel, die Colliculi superiores, erhalten über Sehnerv und Sehtrakt direkte Eingänge von der Netzhaut des Auges. Dabei geht es primär um Informationen über sich rasch ändernde Reize – also um Bewegung. Das könnte ein fahrendes Auto sein, dem wir mit den Augen folgen, oder ein Ast, der auf unser Gesicht zuschnellt, woraufhin wir reflexartig die Augen schließen, um sie zu schützen. Beides wären Beispiele für Funktionen der Colliculi superiores. Genauso wie die Sakkaden – diese schnellen Augenbewegungen, die Sie beispielsweise jetzt gerade beim Lesen dieser Wörter machen. All dies sind motorische Prozesse und wenn wir das Mittelhirn erneut von vorn betrachten, sehen wir den dritten Hirnnerv, den Nervus oculomotorius zwischen den Hirnschenkeln austreten. Entsprechend sind auch die Ausfälle bei Schädigungen des oberen Hügels: einem Objekt mit den Augen zu folgen, ist nicht mehr möglich, wobei weiterhin sämtliche optischen Reize wahrgenommen und verarbeitet werden.

Die Colliculi inferiores, die unteren Hügel, dienen als Umschaltstelle für die meisten Fasern der Hörbahn. Die Signale laufen von hier aus direkt zum Corpus geniculatum mediale des Thalamus und von dort weiter in den primären auditiven Cortex. Diese zentrale Lage der Colliculi inferiores in der Hörbahn bedeutet, dass ihre Schädigung zu reduzierter Hörfähigkeit führen kann. Da die unteren Hügel auch an die oberen senden, wird hier eine reflexhafte Integration beider Sinnesmodalitäten möglich – und wir blicken automatisch in die Richtung eines lauten Geräusches.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

Corpus geniculatum mediale

Medialer Kniehöcker/Corpus geniculatum mediale/medial geniculate body

Das Corpus geniculatum mediale (medialer Kniehöcker) ist ein Kerngebiet des Thalamus (größter Teil des Zwischenhirns). Als zentrale Umschaltstelle der Hörbahn leitet es die Impulse des Colliculus inferior auf die Hörstrahlung. Gemeinsam mit dem Corpus geniculatum laterale bildet es den Metathalamus.

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Innere Werte

Die Hirnschenkel vorn, vier Hügel hinten – das sind zwei der drei Schichten, in die das Mittelhirn gegliedert wird. Zwischen diesen beiden liegt das Tegmentum, und in ihm einige wichtige Kerne und Kerngebiete. Funktional gehört hierzu einmal mehr das Sehen: die Augenmuskelkerne, die sechs Muskeln pro Auge im Blick halten müssen – was einer sehr komplexen Verschaltung bedarf. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass zwar die vertikalen Augenbewegungen Sache des Mittelhirns sind, die horizontalen dagegen vor allem in der Pons ausgelöst werden.

Aber es gibt auch Strukturen jenseits des Sehens. Da wäre zum Beispiel die Substantia grisea periaqueductalis, zu Deutsch das periaquäduktale Grau. Für die Schmerzunterdrückung spielt es eine wichtige Rolle und auch für die Reaktion von Kampf oder Flucht. Den Namen hat es, weil besagte Wasserleitung, der Aquaeductus mesencephali direkt durch dieses Grau hindurchfließt.

Ein wichtiger Kern im Mittelhirn ist der rote, der Nucleus ruber. Er gehört zum extrapyramidalen motorischen System, übernimmt also motorische Aufgaben, die nicht über die Pyramidenbahn verhandelt werden. Dabei ist er Teil einer Neuronenschleife zwischen Olive, Kleinhirnkernen und Kleinhirnrinde. Fällt in dieser Schleife etwas aus, ist ein Intensionstremor die Folge – soll die Hand zum Beispiel ein Glas greifen, wird das Zittern umso stärker, je näher sie dem Bewegungsziel kommt. Seine rote Färbung verdankt der Nucleus ruber übrigens seinem hohen Eisengehalt.

Seine dunkel-​bläuliche Färbung verdankt der Locus coeruleus – der blaue Ort – dem Melanin seiner Zellen. Diese produzieren Noradrenalin – ein Stresshormon, weshalb der Locus coeruleus trotz seines schönen Namens nicht nur als Wecksystem – im Zusammenhang mit der Formatio reticularis (FR) – sondern gleich als Alarmsystem gilt. Bekanntermaßen hat zu viel Alarm, zu viel Stress, zu viel Noradrenalin keine guten Folgen auf die körperliche und geistige Gesundheit.

Der Neurotransmitter Serotonin dagegen hat wenig mit Stress zu tun, im Gegenteil: hier geht es um Einschlafen und die feine Balance einer ausgeglichenen Gemütslage. Und eine Balance ist es, denn zu viel Serotonin schadet genauso, wie zu wenig. Der einzige Standort der Serotonin-​Produktion im Gehirn sind die Raphé-​Kerne, die den innersten Bereich der Formatio reticularis bilden. Von hier aus setzen sie ihre wertvolle Fracht in weiten Teilen des Gehirns frei, vor allem im limbischen System.

Ganz oben im Mittelhirn sitzt die Substantia nigra, die schwarze Substanz. Ihren Namen verdankt sie einem hohen Melaninanteil in den Zellkernen. Und ihre Berühmtheit der Krankheit Parkinson: Da sie mitten in einem Netz von Systemen sitzt, die Bewegungen verschalten und koordinieren, hat ihr Ausfall fatale Folgen für Bewegungseinleitung und den grundsätzlichen Antrieb zu einer Bewegung. Der Neurotransmitter der Substantia nigra ist das Dopamin – und es sind diese dopaminergen Neurone, die bei Morbus Parkinson absterben. Bis zu 70 Prozent dieser Zellen können untergehen, bevor die Symptome sichtbar werden.

Durch den gesamten Hirnstamm hindurch zieht die Formatio reticularis – ein ganzes Netz von verschalteten Kernen, die vielerlei Aufgaben haben. Das Weckzentrum – genauer: das aufsteigende aktivierende retikuläre System – hatten wir bereits erwähnt: Es steigert die Aktivität in Thalamus und Cortex, und sorgt so nicht nicht nur für Wachheit, sondern auch für Bewusstsein – Schädigungen hier können zu Koma führen, wobei andere Teile der Formatio reticularis, die für Atmung und Kreislauffunktionen zuständig sind, den Organismus am Leben erhalten.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Dopamin

Dopamin/-/dopamine

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.

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