Der Insellappen
Wer sich für den Insellappen – den Lobus insularis interessiert, muss ihn erst einmal finden: verdeckt vom Temporallappen und den Opercula – wörtlich den „Deckeln“ – des Frontal– und des Parietallappens ist er von außen nicht zu sehen. Johann Christian Reil (1759−1813) entdeckte ihn erst 1796. Nun ja, er beschrieb ihn erstmals 1796. Aber „Entdeckung“ passt so schön zu der Bezeichnung, die dem Lobus insularis im berühmten anatomischen Grundlagenwerk Gray´s Anatomy zuteil wurde: „The Island of Reil“.
Scientific support: Prof. Dr. Oliver von Bohlen und Halbach
Published: 22.09.2011
Difficulty: intermediate
Die Inselrinde ist vergleichsweise klein und phylogenetisch alt. Sie gilt als multisensorisches Areal, wobei sie besonders wichtig bei der Verarbeitung von Geschmack ist. Doch nicht nur werden hier Hunger, Durst, Sättigung, Übelkeit und Atemnot bewusst, die Insel spielt auch eine Rolle bei der Empathie.
Die zurückgezogene Lage der Inselrinde ist ontogenetisch begründet, denn während in der fötalen Entwicklung die anderen, bekannteren Lobi des Cortex immer weiter wachsen, bleibt die Insel in der Entwicklung stehen und wird nicht viel größer als eine Zwei-Euro-Münze. Dennoch sehen nicht wenige Anatomen in ihr den fünften Lappen des Großhirns.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Hoch betagt, aber flexibel
Phylogenetisch, also vom evolutionären Alter her betrachtet, ist die Insel hochbetagt. Und wie so viele alte Strukturen muss sie mehrere Aufgaben erfüllen. So gilt die Inselrinde als primärer gustatorischer Cortex, von wo aus Informationen an sekundäre olfaktorische Rindengebiete im orbitofrontalen Cortex weitergeleitet werden. Womit sich zeigt, dass auch bei der Verarbeitung im Gehirn Geruch und Geschmack nahe beieinanderliegen.
Doch auch allein deckt die Inselrinde eine überraschende Bandbreite ab: Nicht nur wird Geschmack verarbeitet und wahrgenommen, es findet auch gleich seine Bewertung statt. Beispielsweise manifestiert sich eine massive Ablehnung als Empfindung von Ekel, und auch der wird bewusst in der Insel. Das Extrem zur Ablehnung wäre wohl die krankhafte Vorliebe und hier ist zumindest von starken Rauchern bekannt, dass ein Schlaganfall in der Inselrinde sie von ihrer Sucht befreien kann. Als Therapie allerdings ist deren Entfernung nicht zu empfehlen, denn nicht zuletzt werden hier auch die Bedürfnisse von Hunger und Durst bewusst.
Doch in der Insel geschieht noch viel mehr, sie gilt als multisensorischer Cortex und ist zum Beispiel an der emotionalen Bewertung von Schmerz beteiligt. Als wichtiger Projektionsort der viszerosensiblen Bahn – also den Empfindungen der inneren Organe – empfängt sie neben Hunger viele weitere Informationen, darunter solche über Atemnot, Übelkeit und Völlegefühl. Oder den Füllungszustand der Harnblase. Darüber hinaus ist die Insula reziprok mit dem Thalamus und der Amygdala verschaltet, um so direkt — und indirekt — auf die Homöostase sowie auf Emotionen und emotionale Empfindungen Einfluss zu nehmen. Desweiteren gibt es Hinweise darauf, dass eine bilaterale Zerstörung der Insula zu einer kompletten auditorischen Agnosie führen kann. Nicht zuletzt ist die Inselrinde eines von mehreren vestibulären Zentren im Gehirn, beschäftigt sich also mit dem Gleichgewicht.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Amygdala
Amygdala/Corpus amygdaloideum/amygdala
Ein wichtiges Kerngebiet im Temporallappen, welches mit Emotionen in Verbindung gebracht wird: es bewertet den emotionalen Gehalt einer Situation und reagiert besonders auf Bedrohung. In diesem Zusammenhang wird sie auch durch Schmerzreize aktiviert und spielt eine wichtige Rolle in der emotionalen Bewertung sensorischer Reize. Darüber hinaus ist sie an der Verknüpfung von Emotionen mit Erinnerungen, der emotionalen Lernfähigkeit sowie an sozialem Verhalten beteiligt. Die Amygdala – zu Deutsch Mandelkern – wird zum limbischen System gezählt.
Agnosie
Agnosie/-/agnosia
Der Begriff Agnosie stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Nicht wissen“. Es handelt sich um eine Störung des Erkennens, die durch Schädigungen oder Funktionsstörungen des Gehirn entsteht, ohne Defizite in der sensorischen Aufnahme. Die Agnosie ist meist sehr spezifisch, wie z.B. die Prosopagnosie, die Unfähigkeit eine Person an ihrem Gesicht zu erkennen.
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Zwischenmenschliches
Auch an der Spracherzeugung, zumindest der automatisierten Sprache, ist die Insula beteiligt: Bei reinen Wortwiederholungen wird kurz nach der Wahrnehmung gesprochener Worte die Insel aktiv. Zudem konnte gezeigt werden, dass Läsionen der posterioren Insula die Sprechmotorik stören und somit zu einer Beeinträchtigung des Sprechens führen können.
Sogar mit dem „Mit-gefühl“, einer der menschlichsten Fähigkeiten überhaupt, hat die Insula zu tun – wenn wir beispielsweise den Schmerz anderer nachempfinden. Wie die sozialen Neurowissenschaften in Studien mit bildgebenden Verfahren herausgefunden haben, zeigt sich in der vorderen Insula nicht nur bei eigenem, sondern auch bei beobachtetem Schmerz Aktivität.
Neben Empathie scheint die Insula beim Gefühl von Fairness genauso beteiligt zu sein, wie an Mutterliebe, dem Orgasmus, plötzlichen Eingebungen oder der Entscheidungsfindung. Besonders interessant ist ihre Aktivität bei der Aufmerksamkeit – vor allem bei der für uns selbst, für unsere aktuelle Befindlichkeit. Diese introspektive Qualität mag ein Grund sein, warum die Inselrinde beim Menschen im Vergleich zu seinen nächsten Verwandten überproportional größer ist.
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit/-/attention
Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Reizen bzw. Informationen konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.