Menschen haben einen Knick in der Optik

© Volker Lannert/Uni Bonn
Die Erstautorin - Jenny L. Reiniger bei der Messung am Laser-Ophthalmoskop

Studie der Universität Bonn: Menschen fixieren neben dem Netzhautzentrum, um insgesamt besser zu sehen

Source: Universitätsklinik Bonn

Published: 02.08.2021

Wir stellen uns das Auge gerne als eine Art Fotoapparat vor. Doch diese Analogie hinkt. Das wird beispielsweise offensichtlich, wenn man sich die Netzhaut ansieht – sozusagen den Licht-Sensor auf der Hinterwand des Auges. Bei Digitalkameras besteht dieser Sensor aus vielen Millionen Fotozellen, die gleichmäßig über die Sensorfläche verteilt sind. Jeder dieser Pixel ist gleich groß, und auch ihre Packungsdichte ist überall identisch. In der menschlichen Netzhaut hingegen gibt es zwei Arten von Pixeln – die Stäbchen- und die Zapfen-Photorezeptoren. Während die Stäbchen uns das Sehen in der Dämmerung erleichtern, sind die Zapfen fürs Farbensehen und feine Details zuständig. Im Gegensatz zu ihren technischen Pendants sind sie sehr unterschiedlich groß und dicht. In der Sehgrube (lateinisch Fovea), der Stelle des schärfsten Sehens, kommen bis zu 200.000 Zapfen auf einen Quadratmillimeter; am Netzhaut-Rand dagegen nur etwa 5.000. Das ist, als hätte der Sensor einer Digitalkamera an verschiedenen Stellen eine unterschiedliche Auflösung.

„Auch in der Fovea selbst variiert die Packungsdichte der Zapfen“, erklärt Dr. Wolf Harmening, der an der Universitäts-Augenklinik Bonn die Arbeitsgruppe für adaptive Optiken und visuelle Psychophysik leitet. „Am größten ist sie im zentralen Teil der Sehgrube. Wenn wir ein Objekt fixieren, richten wir unsere Augen so aus, dass das Bild exakt an diese Stelle fällt – zumindest dachte man das bislang.“

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Netzhaut

Netzhaut/Retina/retina

Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.

Stäbchen

Stäbchen/-/rod cells

Die Stäbchen sind Lichtsinneszellen mit hoher Lichtempfindlichkeit. Sie reagieren schon auf schwaches Licht und sind so für das skotopische Sehen, das Schwarz-​Weiß-​Sehen und das Sehen in der Dämmerung zuständig. Die Stäbchen liegen gehäuft in den äußeren Bereichen der Netzhaut und vermitteln daher keine große Sehschärfe.

Zapfen

Zapfen/-/retinal cones

Die Zapfen sind eine Art von Fotorezeptoren der Netzhaut. Die drei unterschiedlichen S-​, M– und L-​Zapfen sind jeweils durch kurz-​, mittel und langwellige Frequenzen des sichtbaren Lichts erregbar und ermöglichen so Farbsehen.

Fovea centralis

Fovea/Fovea centralis/fovea

Die Fovea centralis liegt im Zentrum des Gelben Flecks und ist der Bereich des schärfsten Sehens bei Vögeln und höheren Säugetieren. Der Durchmesser beim Menschen beträgt ca 1,5 mm. In der Fovea gibt es keine Stäbchen, sondern nur Zapfen, die im Verhältnis 1:1 auf die Ganglienzellen verschaltet werden, wodurch eine sehr hohe „Auflösung“ erreicht wird.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Wir lassen die schärfste Stelle unserer Netzhaut „links liegen“

Denn ganz so ist es augenscheinlich nicht, wie Harmenings Mitarbeiterin Jenny Lorén Reiniger in aufwändigen Analysen im Rahmen ihrer Doktorarbeit festgestellt hat. Demnach ist das Bild gegenüber dem Ort mit der höchsten Zapfen-Dichte etwas in Richtung Nase und nach oben verschoben – und zwar systematisch. „Wir haben 20 Versuchspersonen untersucht und bei allen diese Abweichung gefunden“, sagt Reiniger. „Zwar fiel sie mal etwas größer aus und mal etwas kleiner; ihre Richtung war aber stets gleich. Sie blieb zudem konstant, wenn wir die Analyse ein Jahr später wiederholten.“

Das wirkt zunächst einmal paradox: Warum sehen wir nicht mit dem schärfsten Teil unserer Netzhaut, sondern lassen ihn sprichwörtlich „links liegen“? Vielleicht reservieren wir durch diesen Trick die Höchstleistung unserer Augen für Bereiche des Bildes, die sie wirklich benötigen. „Wenn wir auf horizontale Flächen wie zum Beispiel den Boden schauen, sind die Bereiche oberhalb der Stelle, die wir fixieren, weiter von uns entfernt“, erklärt Reiniger. „Objekte, die dort liegen, erscheinen daher etwas kleiner. Ihr Bild fällt dank dieser Abweichung genau auf die Stelle der Sehgrube mit der höchsten Auflösung – das heißt: Wir sehen die kleineren Dinge schärfer.“ Insgesamt könnte dieser Effekt einen Vorteil für unser beidäugiges Sehen mit sich bringen, spekulieren die Forschenden.

Der gefundene Versatz ist sehr klein. „Dass wir ihn überhaupt feststellen konnten, verdanken wir den technischen und methodischen Fortschritten der vergangenen zwei Jahrzehnte“, betont Harmening. Die Bonner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen für ihre Arbeiten ein laserbasiertes Verfahren mit einer adaptiven Optik. Durch die extrem hohe Genauigkeit können sie feststellen, wie die einzelnen Zapfen in der Fovea ihrer Versuchspersonen verteilt sind. „Die Methode zeigt uns zudem exakt, welche Zellen benutzt wurden, um ein Objekt zu fixieren“, sagt Harmening, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Leben und Gesundheit“ der Universität Bonn und im Medical Imaging Center Bonn ist.

Insgesamt gibt es in der menschlichen Netzhaut bis zu sieben Millionen dieser winzigen Farbrezeptoren. Wenn wir einen Punkt fixieren, nutzen wir davon aber nur einen Bruchteil – wahrscheinlich nur wenige Dutzend. Und zwar womöglich Zeit unseres Lebens immer dieselben.

Nase

Nase/Nasus/nose

Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Fovea centralis

Fovea/Fovea centralis/fovea

Die Fovea centralis liegt im Zentrum des Gelben Flecks und ist der Bereich des schärfsten Sehens bei Vögeln und höheren Säugetieren. Der Durchmesser beim Menschen beträgt ca 1,5 mm. In der Fovea gibt es keine Stäbchen, sondern nur Zapfen, die im Verhältnis 1:1 auf die Ganglienzellen verschaltet werden, wodurch eine sehr hohe „Auflösung“ erreicht wird.

Zapfen

Zapfen/-/retinal cones

Die Zapfen sind eine Art von Fotorezeptoren der Netzhaut. Die drei unterschiedlichen S-​, M– und L-​Zapfen sind jeweils durch kurz-​, mittel und langwellige Frequenzen des sichtbaren Lichts erregbar und ermöglichen so Farbsehen.

Netzhaut

Netzhaut/Retina/retina

Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.

Originalpublikation

J.L. Reiniger, N. Domdei, F.G. Holz, W.M. Harmening: Human gaze is systematically offset from the center of cone topography. Curr. Biol.; DOI: 10.1016/j.cub.2021.07.005

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