Question to the brain

Stimmt es, dass Vögel kein Großhirn haben?

Questioner: A. L.

Published: 13.02.2016

Vögel sind klein, ihre Gehirne auch. Und ein Großhirn so wie Säugetiere können sie auch nicht aufweisen. Oder?

The editor's reply is:

Onur Güntürkün, Professor für Biopsychologie an der Ruhr-​Universität Bochum: Nein das stimmt nicht, alle Wirbeltiere haben ein Großhirn und somit auch Vögel. Das Großhirn besteht aus dem Pallium (lat. Mantel) sowie subpallialen Strukturen wie zum Beispiel den Basalganglien. Bei uns Säugetieren bildet sich aus dem dorsalen Teil des Palliums der Cortex (lat. Großhirnrinde), der für die höheren kognitiven Leistungen zentral ist. Vögel haben auch ein Pallium und auch Basalganglien.

Mittlerweile wissen wir, dass Vögel auch ein dorsales Pallium besitzen, das sich bei Säugern zum Cortex entwickelt. Doch bei den Vögeln entsteht daraus ein Teil des Großhirns, das sich vom Cortex der Säuger deutlich unterscheidet: Es besteht zwar aus denselben Arten von Zellen wie der Cortex im Säugergehirn, aber es ist nicht geschichtet. Während der Cortex der Säuger aus Schichten unterschiedlicher Arten von Neuronen aufgebaut und, etwa beim Menschen, stark gefaltet ist, ist diese Region des Cortex bei Vögeln in Zellhaufen organisiert.

Vögel haben also durchaus ein Großhirn, aber sie haben keinen Cortex. Sie besitzen somit eine Hirnstruktur, die ein evolutionäres Homolog zum Cortex darstellt und dieselbe Funktion übernimmt. Die Vögel sind also keineswegs dümmer als die Säugetiere, weil sie diese geschichtete Struktur nicht besitzen. Ihr Gehirn ermöglicht ihnen ähnlich effiziente kognitive Verarbeitungsmechanismen wie bei Säugetieren. Dazu gehören etwa die erstaunlichen Navigationsleistungen mancher Vogelarten und die Fähigkeit, sich an Hunderte von abstrakten Symbolen zu erinnern und sogar logische Schlüsse zu ziehen.

Durch die Forschung an Vögeln, vor allem an Tauben, wissen wir also, dass der Cortex der Säugetiere nur eine von verschiedenen Möglichkeiten ist, ein Gehirn so zu organisieren, dass höhere kognitive Leistungen möglich sind. Vielleicht gibt es noch andere, aber zurzeit wissen wir das nur von den Vögeln.

Protokolliert von Manuela Lenzen

Basalganglien

Basalganglien/Nuclei basales/basal ganglia

Basalganglien sind eine Gruppe subcorticaler Kerne (unterhalb der Großhirnrinde gelegen) im Telencephalon. Zu den Basalganglien zählen der Globus pallidus und das Striatum, und je nach Autor weitere Strukturen, wie z. B. die Substantia nigra und der Nucleus subthalamicus. Die Basalganglien werden primär mit der Willkürmotorik in Verbindung gebracht, beeinflussen aber auch Motivation, Lernen und Emotion.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

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