Der Thalamus dorsalis

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Der Thalamus hat viele Aufgaben. Spezifische und unspezifische Kerngebiete sind hochgradig vernetzt und steuern Motorik, Sensorik und nicht zuletzt die Psyche. Der Thalamus ist also viel mehr als das vielzitierte „Tor zum Bewusstsein“.

Scientific support: Prof. Dr. Horst-Werner Korf

Published: 23.08.2011

Difficulty: serious

Das Wichtigste in Kürze

Der Thalamus liegt in den Wänden des Zwischenhirns, er ist dessen größtes zusammenhängendes Gebiet. Bestimmte Thalamuskerne sind reziprok mit bestimmten Cortexgebieten verbunden. Einige Thalamuskerne sind darauf spezialisiert, dem Cortex sensorische Informationen zuzutragen.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

Oft sind anatomische Fachausdrücke sehr treffend. Nicht so im Falle des Thalamus. Denn das griechische und lateinische Wort „Thalamus“ meint eigentlich einen beliebigen Raum, einen Hohlraum, einen Wohnraum. Der Thalamus der zeitgemäßen Anatomie liegt jedoch beiderseits eines Ventrikelraumes – des dritten Ventrikels im Zwischenhirn: Er ist Teil der Wand und nicht der Höhlung. Die Diskrepanz entstand, weil man ursprünglich die Hirnfunktionen in eben diesen Ventrikeln suchte, wo der menschliche Geist als Destillat entstünde, vergleichbar vielleicht gutem Rum …, aber das ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls: Dieser dritte Ventrikel des Zwischenhirns, an dessen Basis die auffälligen optischen Nerven liegen, wurde sinnigerweise Thalamus opticus genannt. Als man einsah, dass es die grauen Massen in den Wänden des Gehirns sind, die dessen Funktionen tragen, wanderte der Begriff mit. Und als man einsah, dass nur ein kleiner Teil des Thalamus optisch ist (das „Schwänzchen“ an seinem Ende, s. u.), fiel das „opticus“ weg. Und als man weiter einsah, dass der Thalamus aus einer oberen und einer unteren Etage besteht, bekam die obere – die hier besprochen werden soll – den Zusatz „dorsalis“. Inzwischen wird diese Präzisierung kaum noch benutzt, denn der untere, „ventrale Thalamus“ (bestehend aus Nucleus subthalamicus und Globus pallidus) hat ganz andere Funktionen. Wenn ein Anatom also einfach nur „Thalamus“ sagt – dann meint er den Thalamus dorsalis.

Von merkwürdiger Gestalt

Die beiden dorsalen Thalami sind ansehnliche Gebilde, jeder ist sicher gut daumengroß. Ihre Gestalt ist ein wenig eigenartig, sie ähneln plumpen Tropfen, deren stumpfer Kopf zur Stirne weist, der kurze Stummelschwanz an ihrem Hinterende ist nach unten und nach außen umgebogen. Der Körper des Tropfens ist der eigentliche Thalamus, die Übergangsregion zum Stummelschwanz nennt man Pulvinar und das Schwänzchen selbst den Metathalamus, den Nach-​Thalamus also, der aus jeweils zwei Kniehöckern, dem Corpora geniculata lateralia und medialia besteht. Der eigentliche Thalamus, der Tropfen, besteht aus vielen einzelnen Kernen mit unterschiedlichen Funktionen, was ihn zu einem der komplexesten Gebilde des Gehirns macht.

Grundsätzliche Funktion

Der Thalamus ist mit dem Cortex verbunden. „Fleckchenweise“, könnte man sagen, denn bestimmte Gebiete des Thalamus schicken Axone zu bestimmten Gebieten des Cortex — und vice versa. Das Muster dieser Verbindungen – also „wer mit wem“ – ist überaus stabil und bei allen Menschen (und vielen Tieren) gleich. Entsprechend werden sie als „spezifische Thalamuskerne“ bezeichnet. Man kann sie auch als „corticale Agenten“ verstehen: sie tragen dem Cortex Informationen aus den Sinnessystemen, den Augen, den Ohren, der Haut, den Muskeln und Gelenken, den Schmerz– und den Geschmackssinn zu. Einzige Ausnahme ist der Geruchssinn. Doch auch der – soll er bewusst werden – muss schlussendlich durch den Thalamus.

Die Faserbahnen all dieser sensorischen Systeme laufen im Thalamus an bestimmten Unterkernen ein — die Sehbahn an den Corpora geniculata lateralia, die Hörbahn an den Corpora genuiculata medialia. Die übrigen sensorischen Bahnen ziehen überwiegend an die hinteren Seitenflächen des Tropfenkörpers selbst. In diesen Unterkernen des Thalamus erfolgt dann die synaptische Umschaltung auf das jeweils letzte Neuron der entsprechenden sensorischen Bahn. Das Axon dieses Neurons zieht dann zum jeweiligen primär-​sensorischen Cortexareal — und dieses Areal schickt dann wieder Axone zu „seinem“ Thalamuskern zurück.

Diese genuin sensorischen Kerne des Thalamus machen aber nur den kleineren Teil seiner Gesamtmasse aus. Die anderen Kerne sind weniger „Agenten“ des Cortex, als mehr dessen „Spiegel“. Auch sie schicken Axone in bestimmte, umschriebene Areale des Cortex — aber ihr Hauptinput stammt nicht aus der sensorischen Peripherie, sondern aus dem Cortex selbst. Direkt – denn, wie gesagt, jedes Cortexareal, das thalamische Eingänge erhält, schickt Axone zurück – oder indirekt, über Schleifen. Es griffe also zu kurz, wenn man vom Thalamus – wie das gern geschieht – nur als „Tor zum Bewusstsein“ reden wollte: Er ist weit mehr als der „Zuträger“ sensorischer Informationen.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Spezifischer

Beginnen wir hinten beim Metathalamus, beim „nach außen gebogenen Stummelschwanz“. Er ist nicht ganz glatt, sondern ein wenig höckrig, weswegen man an ihm das Corpus geniculatum laterale (CGL, den „seitlichen Kniekörper“) und das Corpus geniculatum mediale (CGM, „innerer Kniekörper“) unterscheidet. Wie schon erwähnt, steigt die Hörbahn zum CGM auf, der optische Trakt zieht zum CGL. Und nur um hier das Verhältnis zwischen sensorischem und corticalem Input an einem Beispiel zu konkretisieren: das CGL – immerhin die Hauptumschaltstelle visueller Signale der Netzhaut auf dem Weg zur primären Sehrinde am Hinterhaupt – erhält nur 10 Prozent seiner Eingänge tatsächlich von der Netzhaut. Die anderen 90 Prozent stammen von der primären Sehrinde. Es wird vermutet, dass bereits auf dieser unbewussten Ebene eine Auslese der weitergeleiteten Informationen stattfindet.

Auch das Pulvinar ist mit visuellen Inhalten befasst und unterhält neben corticalen Verbindungen zu weiten Bereichen des Schläfen– und Scheitellappens auch Verbindungen zum CGL und den Colliculi superiores des Mittelhirns – alles Zentren, die mit der Verarbeitung visueller Informationen zu tun haben.

Etwas unübersichtlich geht es im Thalamus selbst zu, also im eigentlichen Körper des „Tropfens“. Man unterscheidet dort eine vordere Kerngruppe (Nuclei anteriores), die zum Gyrus cinguli projiziert, eine am Ventrikel gelegene Kerngruppe (Nuclei mediales), die mit dem Frontallappen verbunden ist, und eine große laterale Kerngruppe (Nuclei laterales), die zum Frontal– und Parietallappen projiziert. Von all diesen Kernen ist nur ein Unterkern der lateralen Kerngruppe, der Nucleus ventrolateralis posterior, genuin sensorisch: zu ihm ziehen die Bahnen der Körpersinne, des Schmerzes und des Geschmacks. Seine Axone wiederum steigen zum Gyrus postcentralis des Parietallappens auf. Alle anderen genannten Kerne sind in mehr oder weniger komplexe Rückkoppelungsschleifen zwischen dem Cortex und anderen Hirngebieten eingebunden.

Corpus geniculatum laterale

Seitlicher Kniehöcker/Corpus geniculatum laterale/lateral geniculate body

Das Corpus geniculatum laterale (seitlicher Kniehöcker) ist derjenige Abschnitt des Thalamus (größter Teil des Zwischenhirns), in dem rund 90% der Axone des Sehnervs enden. Es zeigt eine charakteristische Schichtung in sechs Zelllagen. Die Nervenzellen des Corpus geniculatum laterale senden ihre Fortsätze zur Sehrinde. Gemeinsam mit dem Corpus geniculatum mediale bildet es den Metathalamus.

Corpus geniculatum mediale

Medialer Kniehöcker/Corpus geniculatum mediale/medial geniculate body

Das Corpus geniculatum mediale (medialer Kniehöcker) ist ein Kerngebiet des Thalamus (größter Teil des Zwischenhirns). Als zentrale Umschaltstelle der Hörbahn leitet es die Impulse des Colliculus inferior auf die Hörstrahlung. Gemeinsam mit dem Corpus geniculatum laterale bildet es den Metathalamus.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

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Unspezifischer

Sämtliche oben genannten Kerne unterhalten massive Verbindungen zum Pallium – zum Hirn-„mantel“ – zu bestimmten, umschriebenen, spezifischen Arealen des Cortex also. Man nennt sie deswegen auch die „palliothalamischen“ oder „spezifischen“ Kerne.

Die „truncothalamischen Kerne“ haben weniger stark ausgeprägte — oder gar keine — Verbindungen zum Cortex. Einer von ihnen ist der Nucleus reticularis. Er umgibt wie eine Schale die Seitenfläche des Thalamus und enthält hemmende, GABAerge Neurone, die ihre Axone in den Thalamus selbst schicken. Man nimmt an, dass er etwas mit der Aufmerksamkeitssteuerung zu tun hat.

Andere truncothalamische Kerne liegen im Innern des Thalamus selbst, in dünnen Lamellen aus weißer Substanz, die ihn durchziehen und gliedern. Diese so genannten „intralaminären Kerne“ schicken ihre Axone überwiegend in die Basalganglien, haben aber auch diffuse, weitgestreute corticale Projektionen. Man nennt sie deshalb auch „unspezifische“ Kerne. Ihre Eingänge kommen primär aus der Formatio reticularis des Hirnstamms und – primär motorisch – aus den Basalganglien und dem Kleinhirn.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

Basalganglien

Basalganglien/Nuclei basales/basal ganglia

Basalganglien sind eine Gruppe subcorticaler Kerne (unterhalb der Großhirnrinde gelegen) im Telencephalon. Zu den Basalganglien zählen der Globus pallidus und das Striatum, und je nach Autor weitere Strukturen, wie z. B. die Substantia nigra und der Nucleus subthalamicus. Die Basalganglien werden primär mit der Willkürmotorik in Verbindung gebracht, beeinflussen aber auch Motivation, Lernen und Emotion.

Ausfälle

Entsprechend der mannigfaltigen Aufgaben des Thalamus sind Ausfälle Effekte von Läsionen. Und teils sehr spezifisch: Ist zum Beispiel der Nucleus ventralis posterolateralis betroffen, kommt es zu Störungen der Oberflächen– und Tiefensensibilität – und das Gefühl von Schwellung und Schwere in den Extremitäten kann die Folge sein. Schmerz, motorische Phänomene oder Lähmung – vieles ist möglich. Großflächige Schädigungen des dorsalen Thalamus sind zum Glück sehr selten. Dann aber geht alles schief – es gibt nicht nur sensorische Ausfälle, sondern auch schwere motorische. Und vor allem psychische Probleme.

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