Question to the brain

Wie verarbeitet das Gehirn vielfältige Sprachen?

Questioner: Franziska K. aus Heidelberg

Published: 03.07.2022

Auf der Erde gibt es rund 7000 Sprachen. Wie verarbeitet das Gehirn diese Vielfalt, wenn es bei allen Menschen den selben Bauplan hat?

The editor's reply is:

Ina Bornkessel-Schlesewsky ist Professorin für Kognitive Neurowissenschaft an der University of South Australia in Adelaide, Australien: Sprache, also das Sprechen ebenso wie das Verstehen, ist die vielfältigste kognitive Fähigkeit des Menschen. Unsere Gehirne sind alle gleich aufgebaut – und trotzdem sprechen Menschen mehr als 7000 unterschiedliche Sprachen. Wir gehen heute davon aus, dass dies möglich ist, weil das Gehirn über allgemeine Sprachnetze verfügt. Das heißt, die Netzwerke der Sprachverarbeitung sind bei allen Menschen zunächst einmal gleich.

Das Gehirn eines Neugeborenen ist daher grundsätzlich offen für jede Sprache. Es hat die Fähigkeit jede Sprache der Welt zu lernen, in die es hineingeboren wurde. Durch den Kontakt mit einem bestimmten sprachlichen Umfeld fangen die Sprachnetze an sich zu spezialisieren. Sie trennen wichtig von unwichtig. Das Gehirn wertet dabei aus, welche Laute und Sprachmuster für die Muttersprache relevant sind, und übernimmt diese als wichtig für den Spracherwerb. Während zu, Beispiel im Deutschen und im Englischen die Laute „l“ und „r“ bedeutungsvoll sind, um Worte voneinander zu unterscheiden (zum Beispiel in „Last“ verus „Rast“ oder in „Lap versus „Rap“) spielt diese Unterscheidung im Japanischen keine Rolle. Japanische Babys werfen diese Unterscheidung beim Spracherwerb als unwichtig über Bord. Erwachsene Spreche sind daher kaum in der Lage, die Silben „la“ und „ra“ zu unterscheiden.

Dass wir Menschen mit gleich aufgebauten Gehirnen unterschiedliche Sprachen verstehen und sprechen, ist also einem Selektionsprozess und einer daraus resultierenden Spezialisierung zu verdanken. Das Ganze funktioniert übrigens auch mit zwei oder mehr Sprachen, solange entsprechender Sprachinput vorhanden ist.

Interessanterweise ist es aber auch so, dass Sprachen gar nicht so unterschiedlich sind, wie wir zunächst glauben mögen. In ihrem grundlegenden Aufbau finden sich sehr viele Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel gibt es sechs logische Varianten für die Reihenfolge, in der sich Subjekt, Verb und Objekt in einem Satz anordnen lassen. Davon dominieren weltweit zwei: Die Reihenfolge Subjekt, Verb, Objekt bei 35 Prozent der untersuchten Sprachen, die Reihenfolge Subjekt, Objekt, Verb in 41 Prozent der untersuchten Sprachen. Möglicherweise werden bestimmte grammatikalische Muster durch die Verarbeitungsprozesse im Gehirn begünstigt.

Noch gibt es einige Lücken, im Verständnis. Die Neurolinguistik hat über lange Zeit vor allem westeuropäische Sprachen untersucht. Erst in den letzten 10 bis 15 Jahren hat man begonnen, systematisch auch Sprachen mit einzubeziehen, die den unseren unähnlicher sind: bestimmte asiatische Sprachen etwa. Spannend wird es, wenn wir uns daran machen, Sprachen zu untersuchen, die nicht nach den weit verbreiteten Prinzipien funktionieren, etwa Sprachen aus dem pazifischen Raum oder aus Australien.

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