Neuronale Einschlüsse bei Parkinson-Krankheit sehen aus wie Zwiebeln

© RUB, Martin
Bochumer Forschungsteam: Samir El-Mashtoly (links) Klaus Gerwert

Ein internationales Forschungsteam hat im Detail die Architektur der Lewy-Körperchen entschlüsselt, die das Markenzeichen der Parkinson-Krankheit sind. Mit modernster Mikroskopietechnik machten sie die konzentrischen inneren Strukturen sichtbar, die an den Aufbau einer Zwiebel erinnern. Das Team, an dem die Gruppe um Prof. Dr. Klaus Gerwert von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) beteiligt war, liefert auch neue Hypothesen zur Bildung der Lewy-Körperchen. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden des medizinischen Zentrums der Universität Amsterdam (AUMC), der RUB und der Firmen Roche und Prothena Biosciences in der Fachzeitschrift Acta Neuropathologica vom 11. Juni 2021.

Source: Zentrum für Proteindiagnostik (PRODI)

Published: 15.06.2021

Bei der Parkinson-Krankheit – einer der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen – sammeln sich die Lewy-Körperchen in verschiedenen Regionen des Gehirns. Die Mechanismen, die zu ihrer Bildung führen, sowie ihre Struktur geben Rätsel auf. Einer der Hauptbestandteile der Lewy-Körperchen ist α-Synuclein, ein im menschlichen Gehirn reichlich vorhandenes Protein, das in verschiedenen Formen existiert. Um diese Varianten im Detail zu visualisieren, nutzte das Forschungsteam verschiedene Mikroskopietechniken: die Multilabel-Immunfluoreszenz-Mikroskopie, die Super-Resolution-Mikroskopie, kurz STED, sowie die markierungsfreie CARS-Mikroskopie, kurz für Coherent Anti-Stokes Raman Scattering.

Morbus Parkinson

Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit/Morbus Parkinson/Parkinson`s desease

Eine der häufigsten neurologischen Krankheiten. Bedingt durch das Absterben Dopamin produzierender Neurone in der Substantia nigra kommt es zu einem Ungleichgewicht von Neurotransmittern in den Basalganglien. Das führt zum klassischen Zittern meist der Hände, zu starrer Mimik und einem typischen, trippelnden Gang. Die Parkinson-​Krankheit kann nicht geheilt, durch die Gabe von Medikamenten aber gemildert werden. Eine neue, aber nicht einfache Therapiemethode ist der Hirnschrittmacher.

Neurodegeneration

Neurodegeneration/-/neurodegeneration

Sammelbegriff für Krankheiten, in deren Verlauf Nervenzellen sukzessive ihre Struktur oder Funktion verlieren, bis sie teilweise sogar daran zugrunde gehen. Vielfach sind falsch gefaltete Proteine der Auslöser – wie etwa bestimmte Formen der Eiweiße Beta-​Amyloid und Tau im Falle von Alzheimer. Bei anderen Krankheiten, beispielsweise bei Parkinson oder Chorea Huntington, werden Proteine innerhalb der Neurone nicht richtig abgebaut. In der Folge lagern sich dort toxische Aggregate ab, was zu den jeweiligen Krankheitserscheinungen führt. Während Chorea Huntington eindeutig genetisch bedingt ist, scheint es bei Parkinson und Alzheimer allenfalls bestimmte Ausprägungsformen von Genen zu geben, welche ihre Entstehung begünstigen. Keine dieser neurodegenerativen Erkrankungen kann bisher geheilt werden.

3D-Architektur mit verschiedenen Mikroskopietechniken untersucht

Unter Verwendung spezifischer Antikörper von Roche und Prothena Biosciences und mithilfe der genannten Mikroskopietechniken gelang es dem Team, die dreidimensionale Architektur der Lewy-Körperchen zu entschlüsseln. Sie besitzen konzentrische, ringförmige Schichten, in denen ein Kern aus angesammelten Proteinen und Lipiden von phosphoryliertem α-Synuclein und strukturgebenden zellulären Komponenten umgeben ist. Die Bochumer Gruppe um Klaus Gerwert machte die in den α-Synuclein-Einschlüssen angesammelten Proteine und Lipide mit der CARS-Methode sichtbar. Diese Befunde legen nahe, dass Gehirnzellen die Form von Lewy-Körperchen aktiv regulieren und möglicherweise toxische Komponenten einkapseln.

Kern

Kern/-/nucleus

Der Kern ist in einer Zelle der Zellkern, der unter anderem die Chromosomen enthält. Im Nervensystem ist der Kern eine Ansammlung von Zellkörpern – im zentralen Nervensystem als graue Masse, ansonsten als Ganglien bezeichnet.

Neue Hypothese zur Bildung der Lewy-Körperchen

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten die α-Synuclein-Varianten nicht nur in den Lewy-Körperchen, sondern auch außerhalb davon. Sie verglichen die Verteilung der Varianten in Gehirnzellen von Spendern, die in einem frühen oder späten Stadium der Parkinson-Erkrankung verstorben waren, sowie mit gesunden Kontrollen. Dabei zeigte sich, dass sich phosphoryliertes α-Synuclein bereits in frühen Stadien der Krankheit in einem Netzwerk um den Zellkern ausrichtet – bevor sich Lewy-Körperchen bilden. Das deutet laut den Forschenden darauf hin, dass eine abnorme Verteilung vor der Bildung von Lewy-Körperchen auftritt. „Basierend auf diesen Erkenntnissen schlagen wir eine Hypothese vor, nach der Gehirnzellen Lewy-Körperchen in Situationen bilden, in denen sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Trümmer zu recyceln“, sagt Wilma van de Berg vom AUMC. „Wenn sich Lipide und Proteine ansammeln, versucht die Zelle, diese an einem speziellen Ort – vergleichbar mit einer Mülldeponie – abzusondern, den sie schließlich umformt und einkapselt, um sich vor schädlichen Bestandteilen zu schützen. Im Laufe der Zeit könnte das Vorhandensein dieser Mülldeponie die normale Biologie der Neuronen verändern und so zu Funktionsstörungen führen.“

Die Erkenntnisse über die Struktur der Lewy-Körperchen, so hoffen die Forschenden, kann als Referenz für aktuelle und künftige tierische Modellsysteme der Parkinson-Krankheit dienen. Wichtig sei es nun, die neu vorgestellte Hypothese in solchen Systemen zu testen, um die Rolle der Lewy-Körperchen für die Parkinson-Krankheit besser zu verstehen – und somit neue Biomarker und Therapien entwickeln zu können.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Morbus Parkinson

Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit/Morbus Parkinson/Parkinson`s desease

Eine der häufigsten neurologischen Krankheiten. Bedingt durch das Absterben Dopamin produzierender Neurone in der Substantia nigra kommt es zu einem Ungleichgewicht von Neurotransmittern in den Basalganglien. Das führt zum klassischen Zittern meist der Hände, zu starrer Mimik und einem typischen, trippelnden Gang. Die Parkinson-​Krankheit kann nicht geheilt, durch die Gabe von Medikamenten aber gemildert werden. Eine neue, aber nicht einfache Therapiemethode ist der Hirnschrittmacher.

Biomarker

Biomarker/-/biomarker

In der Medizin versteht man unter einem Biomarker eine Substanz, die Hinweise auf den physiologischen Zustand eines Organismus gibt. Biomarker können entweder im Körper selbst entstehen oder chemische Verbindungen beschreiben, die Ärzte dem Körper zuführen, um an ihrem Schicksal bestimmte physiologische Funktionen zu testen. In Bezug auf die Alzheimer-​Krankheit sind mehrere Indikatoren als mögliche Biomarker im Gespräch. Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Konzentration an löslichem Amyloid-​Vorläuferprotein im Blut sowie um die Aktivität des Enzyms, welches das Vorläuferprotein so zerschneidet, dass hieraus das plaquebildende Beta-​Amyloid hervorgeht. Oft werden auch krankheitsbezogene Veränderungen, die mit bildgebenden Verfahren nachgewiesen werden, als Biomarker bezeichnet. So kann man zum Beispiel den Abbau von Gehirngewebe im MRT erkennen.

Originalpublikation

Tim E. Moors et al.: The subcellular arrangement of alpha-synuclein proteoforms in the Parkinson’s disease brain as revealed by multicolor STED microscopy, Acta Neuropathologica, 2021, DOI: 10.1007/s00401-021-02329-9

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