Question to the brain
Wie funktioniert Neurofeedback bei ADHS?
Published: 19.07.2014
Es fällt ihnen schwer sich zu konzentrieren und ihre Aufmerksamkeit zu steuern: Menschen mit ADHS. Eine relativ neue Behandlungsmethode ist das Neurofeedback. Wie genau funktioniert diese Therapie?
The editor's reply is:
Antwort von PD Dr. Ute Strehl, Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie, Universität Tübingen:
Neurofeedback ist eine Variante des Biofeedback. Dabei lernen Menschen, eine bestimmte Körperfunktion besser wahrzunehmen und zu steuern. Zielorgan beim Neurofeedback ist das Gehirn, und genau das stellt uns vor eine große Herausforderung: Der Körper besitzt keine Rezeptoren für die Gehirnaktivität und kann sie deshalb nicht wahrnehmen.
Neurofeedback nutzt daher Hilfsmittel, um die Gehirnaktivität darzustellen. Meist erfasst man per Elektroencephalogramm (EEG) die elektrische Aktivität des Gehirns. Seltener und bislang vor allem in der Forschung werden Stoffwechselprozesse gemessen – etwa mit der funktionellen Magnetresonanztomographie oder der Nahinfrarotspektroskopie.
Die Messergebnisse lassen sich am Computerbildschirm in Echtzeit als einfache Signale darstellen. Das kann etwa ein Balken sein, der in die Höhe wächst, oder sich von rechts nach links bewegt, wenn der Proband seine Gehirnaktivität in der gewünschten Art und Weise beeinflusst. Manchmal kommen auch Computerspiele zum Einsatz, die zum Training motivieren sollen. Nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ entsteht mit der Zeit ein Gefühl dafür, wie sich die Gehirnaktivität steuern lässt.
Bei ADHS lassen sich zwei Besonderheiten ausnutzen. Charakteristisch ist eine Untererregung des Gehirns. Die Grundaktivität des Denkorgans setzt sich aus elektrischen Erregungswellen unterschiedlich schneller Frequenzen zusammen. Im Vergleich zu nicht Betroffenen zeigt sich bei Menschen mit ADHS ein höherer Anteil langsamer Frequenzen. Vereinfacht gesagt heißt das, dass die Nervenzellen verlangsamt kommunizieren, was sich dann in einer verringerten Aufmerksamkeit äußert. Durch Neurofeedback lernen die Betroffenen, verstärkt schnellere Hirnfrequenzen zu aktivieren und somit ihre Aufmerksamkeit zu steigern.
Der zweite Angriffspunkt sind die so genannten langsamen kortikalen Potentiale oder Bereitschaftspotentiale. Gemeint ist ein Gehirnzustand, der uns in Bereitschaft versetzt, gleich zu handeln. Das nutzen wir etwa, wenn wir an einer roten Ampel stehen und uns darauf einstellen, bei „Grün“ sofort loszufahren. Personen mit ADHS fällt es schwer, ihr Gehirn derart in „Habachtstellung“ zu versetzen. Im Neurofeedback-Training lernen sie, diesen Zustand gezielt zu aktivieren und zu deaktivieren.
Wir gehen heute davon aus, dass sich das Gelernte mit der Zeit automatisiert und so auch in Alltagssituationen abrufen lässt. Im Training lässt sich der Lernerfolg prüfen, indem der Proband den gewünschten Zustand ohne Hilfsmittel herstellt. Das EEG zeigt den Erfolg. Im Alltag helfen später einfache Reize wie ein Bild vom Computerbildschirm, das sich der Betroffene anschaut, bevor er sich etwa an die Hausaufgaben setzt. Dieses Signal unterstützt ihn dabei, die gewünschte Gehirnaktivität abzurufen, und sich so besser auf seine Aufgabe zu konzentrieren.
Der klare Vorteil der Methode liegt im Lerneffekt. Sie behandelt nicht nur Symptome, sondern bewirkt tatsächlich eine Veränderung im Gehirn. Um ihre Wirksamkeit endgültig zu beweisen, benötigen wir noch mehr Daten. Nach jetzigem Stand können wir sagen, dass der Effekt für den Patienten besser ist als bei Verhaltenstherapien und mindestens ebenso gut wie bei medikamentöser Behandlung. Und 2014 ergab eine Studie, bei der 144 Kinder mit ADHS untersucht wurden: Neurofeedback ist dem muskulären Feedback, einer Methode die am Computerbildschirm gezieltes Anspannen und Entspannen trainiert, überlegen. Die Kinder, die von der Aufmerkasamkeitsstörung am stärksten betroffen waren, profitierten dabei am meisten vom Neurofeedback.
Aufgezeichnet von Stefanie Reinberger
Neurofeedback nutzt daher Hilfsmittel, um die Gehirnaktivität darzustellen. Meist erfasst man per Elektroencephalogramm (EEG) die elektrische Aktivität des Gehirns. Seltener und bislang vor allem in der Forschung werden Stoffwechselprozesse gemessen – etwa mit der funktionellen Magnetresonanztomographie oder der Nahinfrarotspektroskopie.
Die Messergebnisse lassen sich am Computerbildschirm in Echtzeit als einfache Signale darstellen. Das kann etwa ein Balken sein, der in die Höhe wächst, oder sich von rechts nach links bewegt, wenn der Proband seine Gehirnaktivität in der gewünschten Art und Weise beeinflusst. Manchmal kommen auch Computerspiele zum Einsatz, die zum Training motivieren sollen. Nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ entsteht mit der Zeit ein Gefühl dafür, wie sich die Gehirnaktivität steuern lässt.
Bei ADHS lassen sich zwei Besonderheiten ausnutzen. Charakteristisch ist eine Untererregung des Gehirns. Die Grundaktivität des Denkorgans setzt sich aus elektrischen Erregungswellen unterschiedlich schneller Frequenzen zusammen. Im Vergleich zu nicht Betroffenen zeigt sich bei Menschen mit ADHS ein höherer Anteil langsamer Frequenzen. Vereinfacht gesagt heißt das, dass die Nervenzellen verlangsamt kommunizieren, was sich dann in einer verringerten Aufmerksamkeit äußert. Durch Neurofeedback lernen die Betroffenen, verstärkt schnellere Hirnfrequenzen zu aktivieren und somit ihre Aufmerksamkeit zu steigern.
Der zweite Angriffspunkt sind die so genannten langsamen kortikalen Potentiale oder Bereitschaftspotentiale. Gemeint ist ein Gehirnzustand, der uns in Bereitschaft versetzt, gleich zu handeln. Das nutzen wir etwa, wenn wir an einer roten Ampel stehen und uns darauf einstellen, bei „Grün“ sofort loszufahren. Personen mit ADHS fällt es schwer, ihr Gehirn derart in „Habachtstellung“ zu versetzen. Im Neurofeedback-Training lernen sie, diesen Zustand gezielt zu aktivieren und zu deaktivieren.
Wir gehen heute davon aus, dass sich das Gelernte mit der Zeit automatisiert und so auch in Alltagssituationen abrufen lässt. Im Training lässt sich der Lernerfolg prüfen, indem der Proband den gewünschten Zustand ohne Hilfsmittel herstellt. Das EEG zeigt den Erfolg. Im Alltag helfen später einfache Reize wie ein Bild vom Computerbildschirm, das sich der Betroffene anschaut, bevor er sich etwa an die Hausaufgaben setzt. Dieses Signal unterstützt ihn dabei, die gewünschte Gehirnaktivität abzurufen, und sich so besser auf seine Aufgabe zu konzentrieren.
Der klare Vorteil der Methode liegt im Lerneffekt. Sie behandelt nicht nur Symptome, sondern bewirkt tatsächlich eine Veränderung im Gehirn. Um ihre Wirksamkeit endgültig zu beweisen, benötigen wir noch mehr Daten. Nach jetzigem Stand können wir sagen, dass der Effekt für den Patienten besser ist als bei Verhaltenstherapien und mindestens ebenso gut wie bei medikamentöser Behandlung. Und 2014 ergab eine Studie, bei der 144 Kinder mit ADHS untersucht wurden: Neurofeedback ist dem muskulären Feedback, einer Methode die am Computerbildschirm gezieltes Anspannen und Entspannen trainiert, überlegen. Die Kinder, die von der Aufmerkasamkeitsstörung am stärksten betroffen waren, profitierten dabei am meisten vom Neurofeedback.
Aufgezeichnet von Stefanie Reinberger
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit/-/attention
Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Reizen bzw. Informationen konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.